Presseerklärung der Roten Hilfe zu den Durchsuchungen am 9.5.2007

Bundesweite Razzien gegen Anti-G8-Strukturen

Die Rote Hilfe e.V. protestiert gegen die absurde Ausweitung des Terrorismus-Vorwurfs

In den Morgenstunden des 09.05.2007 sind 900 Polizisten auf Anweisung der Bundesanwaltschaft bundesweit in 40 Wohnungen, linke Projekte und Büros eingedrungen, haben sie durchsucht und ungeheure Mengen von Akten, Computern und anderen Unterlagen beschlagnahmt. Betroffen waren in erster Linie öffentlich arbeitende linke Projekte wie das Bethanien und der Buchladen Schwarze Risse in Berlin oder die Rote Flora in Hamburg. Razzien fanden neben Berlin und Hamburg auch in Bremen, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Niedersachsen statt.

Als Vorwand wurde der Verdacht auf "Bildung einer terroristischen Vereinigung" (§129a) benutzt, die sich gegründet habe, um Aktionen gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm zu planen. Zur Begründung wurden gleich zwei angebliche terroristische Vereinigungen konstruiert. Zum einen die "militante gruppe", zum anderen eine nicht näher definierte Vereinigung, die "unter wechselnden Gruppenbezeichnungen" Brandanschläge auf geparkte Kraftfahrzeuge verübt habe.

Die denkbar nebulös gehaltene Begründung, die Auswahl der durchsuchten Objekte und der gewählte Zeitpunkt zeigen überdeutlich, dass die mit großer Brutalität durchgeführten Razzien in erster Linie der Einschüchterung, Ausforschung und Kriminalisierung des sich bundesweit und international formierenden Protestes gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm richten. Inwiefern sich terroristische Vereinigungen mit Buchhandlungen oder soziokulturellen Zentren in Verbindung bringen lassen, bleibt das Geheimnis der Bundesanwaltschaft. Auch die beschlagnahmten Gegenstände (in erster Linie Computer, Akten, Unterlagen etc.) deuten daraufhin, dass der angebliche Terrorismus, gegen den die Bundesanwaltschaft vorzugehen behauptet, in erster Linie in öffentlichem und legalem Protest gegen den G8-Gipfel besteht.

Der Terrorismusvorwurf dient seit der Einführung des §129a, die 1976 im Zuge der RAF-Prozesse durchgepeitscht wurde, als Vorwand, der den Ermittlungsbehörden nahezu jedes Mittel der Ausforschung und Kriminalisierung linker Gruppen ermöglicht. Nur die wenigsten Ermittlungsverfahren wegen 129a führen jemals überhaupt zu Anklagen. Sie werden in erster Linie eingeleitet, um der Polizei und der Staatsanwaltschaft schwerwiegende Eingriffe in die Grundrechte zu ermöglichen, die sich in der Öffentlichkeit mit dem tatsächlichen Ziel der politischen Einschüchterung und der Ausforschung legal arbeitender linker Strukturen niemals rechtfertigen ließen.

Zugleich wird mit der Konstruktion angeblicher terroristischer Vereinigungen medienwirksam ein Bedrohungsszenario erzeugt, das weiteren gesetzlich abgesegneten Einschränkungen von Menschen- und Bürgerrechten Vorschub leistet.

Die Rote Hilfe e.V. protestiert gegen diesen Versuch, den legitimen Widerstand gegen das Treffen der Regierungen reichsten Industrienationen in Heiligendamm zu kriminalisieren. Sie fordert die sofortige Einstellung der Ermittlungsverfahren und die unverzügliche Rückgabe der beschlagnahmten Gegenstände. Sie wird sich weiter für die Abschaffung des Kollektivschuld-Paragraphen 129a einsetzen.

Mathias Krause für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.